Seit gut drei Wochen steht mit Christiane Guyer erstmals eine Frau der Zofinger Stadtregierung vor. Offiziell ist sie Frau Stadtammann. Sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihr diese Bezeichnung einiges Unbehagen verursacht und sie sich viel lieber Stadtpräsidentin nennen würde. Erst im letzten Frühjahr hat es der Einwohnerrat knapp abgelehnt, in der Gemeindeordnung von der Bezeichnung Stadtammann auf Stadtpräsident – oder eben Stadtpräsidentin – zu wechseln.
Guyer versucht jetzt, den Beschluss sanft auszuhebeln. In den ersten Pressemitteilungen bezeichnet sie sich als «Stadtpräsidentin». In offiziellen Unterlagen sei sie natürlich weiterhin Stadtammann, sagt sie. «Aber wo es passt, da bin ich eben Stadtpräsidentin.»
Ich finde, Christiane Guyer hat recht. Natürlich hat die Bezeichnung Stadtammann Tradition; Traditionen soll man pflegen und nicht vorschnell als alte Zöpfe denunzieren.

Nur: Ist die Bezeichnung Stadtammann tatsächlich eine Tradition, die man mit Stolz pflegen kann? Ammänner trieben im Mittelalter im Auftrag der Grundherren Grundzinsen und andere Abgaben ein. Der Begriff stammt aus einer Zeit, in der politische Macht ausschliesslich von Männern ausgeübt wurde. Er überlebte bis heute, und es gibt ihn ausschliesslich in männlicher Form. Dass Frauen, die in ein Ammann-Amt gewählt werden, damit grosse Mühe haben, kann ich sehr gut nachvollziehen. Es ist tatsächlich ein alter Zopf. 

Und Männer können sich ja mal das Umgekehrte vorstellen: Fänden sie es cool, sich Herr Stadtamtfrau zu nennen? Eben.

 

Quelle: Zofinger Tagblatt vom 22.1.2.22