Soll Zofingen ab 2022 eine Stadtpräsidentin oder einen Stadtpräsidenten haben oder soll es beim Stadtammann bleiben? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Einwohnerrat in seiner Sitzung vom 22. März 2021. Die SP hatte den Antrag gestellt, anlässlich der Revision der Gemeindeordnung zum Stadtpräsidenten zu wechseln, da es diesen Begriff – anders als Ammann – sowohl in männlicher als auch in weiblicher Form gibt. «Zofingen ist eine moderne und aufgeschlossene Stadt, dazu gehört auch eine gendergerechte Sprache», sagte Sandra Olar, die den Antrag stellte. Um es vorweg zu nehmen: Der Einwohnerrat lehnte diesen Antrag ab – allerdings knapp mit 20 Nein zu 18 Ja-Stimmen. Ein Argument, warum Zofingen auch weiterhin einen Stadtammann haben soll, war die Tatsache, dass bis zu jenem Zeitpunkt noch nie eine Frau zum Stadtammann gewählt worden ist.

 

Immer dann Stadtpräsidentin, wenn es passt

Heute allerdings hat Zofingen mit der Grünen Christiane Guyer das erste weibliche Oberhaupt in der Stadtgeschichte. Gemäss dem Beschluss des Einwohnerrats ist sie somit Stadtammann – für die weibliche Form wird oft ein «Frau» davor gesetzt. Eine richtige weibliche Form dieser Amtsbezeichnung gibt es allerdings nicht. Ähnlich ist dies bei der Amtsbezeichnung Landammann für den Präsidenten oder die Präsidentin des Aargauer Regierungsrats. Als Susanne Hochuli, ebenfalls eine grüne Politikerin, Landammann wurde, sagte sie, der Begriff «Land-Amme» gefalle ihr besser als die offizielle Bezeichnung.

Vielleicht war der Stadtrat damals einfach auch zu wenig mutig.

Christiane Guyer, Frau Stadtammann Zofingen

Auch Christiane Guyer bevorzugt einen alternativen Begriff für die Bezeichnung ihres Amtes: In den ersten Pressemitteilungen, die sie veröffentlicht hat, bezeichnet sie sich als «Stadtpräsidentin». In offiziellen Unterlagen sei sie natürlich weiterhin Stadtammann, sagt Guyer auf Anfrage. «Aber wo es passt, da bin ich eben Stadtpräsidentin», sagt sie und erzählt, dass sie nach der Abstimmung des Einwohnerrats viel Feedback aus der Bevölkerung erhalten habe. Der Grundtenor: Warum behält Zofingen diesen alten Zopf mit dem Stadtammann bei? Darum möchte sie nun sachte den Begriff der Stadtpräsidentin einführen. Damit greift sie einem Entscheid des Einwohnerrats vor: Diese Legislaturperiode wird die Zofinger Gemeindeordnung erneut überarbeitet, denn die Frage, ob der Stadtrat nun fünf oder weiterhin sieben Mitglieder umfassen soll, ist noch immer ungeklärt. Zusammen mit dieser Anpassung wird dann auch der Begriff Stadtpräsident erneut zur Diskussion stehen.

Der Begriff Ammann ist nicht unbestritten

Zofingen ist nicht die einzige Gemeinde in der Region und im Aargau, die sich Gedanken zum Begriff Stadt- oder Gemeindeammann macht. In Aarau gibt es bereits einen Stadtpräsidenten, in Walterswil eine Gemeindepräsidentin – allerdings liegt Walterswil im Kanton Solothurn. Dort ist der Begriff Präsident seit 30 Jahren Standard. Buchs hat den Gemeindeammann dieses Jahr durch den Gemeindepräsidenten ersetzt und in Baden wird geprüft, ob der Ammann künftig ein Präsident sein soll. Schützenhilfe bekommen diese Gemeinden nun von zehn Aargauer Grossrätinnen. Sie haben in der letzten Grossratssitzung vor Weihnachten eine Motion eingereicht und fordern, dass die Kantonsverfassung angepasst wird. Im entsprechenden Artikel soll «der Gemeindeammann» durch «Präsidium der Gemeinde» ersetzt werden. 

 

Bis in zehn Jahren ist der Stadtpräsident selbstverständlich.

Christiane Guyer, Frau Stadtammann Zofingen

Ist Christiane Guyer somit auf dem richtigen Weg, wenn sie den Begriff «Stadtpräsidentin» langsam in Zofingen einführt? «Bis in zehn Jahren ist der Stadtpräsident selbstverständlich», ist sie überzeugt und lässt damit offen, ob die Stadt den Begriff selber offiziell einführen wird oder aufgrund einer geänderten Kantonsverfassung übernehmen muss. Denn während der Debatte im Einwohnerrat Zofingen fiel auch das Argument, der Begriff Stadtammann habe Tradition. Daher solle er nicht abgeschafft werden. Diese Auffassung wurde auch vom Stadtrat vertreten. Dabei spielte aber auch die Angst mit, dass die Bevölkerung, die ebenfalls über die Gemeindeordnung abstimmen musste, eine Gemeindeordnung mit Stadtpräsident ablehnen könnte. Damit wäre der Stadtrat mit seiner überarbeiteten Gemeindeordnung zum zweiten Mal gescheitert. «Vielleicht», sagt Christiane Guyer mit Blick auf die damalige Diskussion und die Argumente des Stadtrates, «vielleicht war der Stadtrat damals einfach auch zu wenig mutig.»

 

Quelle: Zofinger Tagblatt vom 19.01.2022