Die Stadteingänge sind mit Gitter verriegelt, Polizeiangehörige kontrollieren in Vollmontur die Passanten. Wer an diesem Montagvormittag in die Zofinger Altstadt will, muss gute Gründe dafür haben – und sich mehrmals ausweisen. Der Thutplatz wird innert Kürze Schauplatz sein für den Staatsbesuch des österreichischen Bundeskanzlers Karl Nehammer.

Ursprünglich war geplant, dass die Bevölkerung während dem Teil mit den militärischen Ehren zugegen sein darf – am Freitagabend wurde dann aber bekannt gegeben, dass der Anlass unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Auf Social Media haben Kritiker der Coronamassnahmen dazu aufgefordert, in Zofingen zugegen zu sein. Tatsächlich muss die Polizei an diesem Vormittag einige Massnahmenkritiker wegweisen. Auch der bekannte Luzerner Nicolas A. Rimoldi versucht, in die Stadt zu gelangen – ohne Erfolg.

Kurz vor 10 Uhr schreitet – begleitet von Bundesweibeln – die Zofinger Frau Stadtammann Christiane Guyer gemeinsam mit dem Bundespräsidenten Ignazio Cassis, dem Aargauer Landammann Alex Hürzeler sowie dem Zofinger Stadtführer Urs Siegrist die Treppe des Rathauses hinunter. Auf dem roten Teppich erwarten sie die Ankunft des österreichischen Bundeskanzlers.

 

Urs Siegrist führt durch die Thutstadt

Zwei heranrollende Polizeiauto künden die Ankunft an. Die Limousine, an der die österreichische Fahne flattert, fährt vor, Nehammer steigt aus. Die Begrüssung zwischen Cassis und dem Österreicher fällt herzlich aus. «Herr Bundeskanzler, ganz herzlich willkommen in Zofingen», begrüsst Christiane Guyer den hohen Gast. Dann überlässt sie Stadtführer Urs Siegrist das Wort, der die Delegation zuerst zum Niklaus-Thut-Brunnen führt und dort die Geschichte über den Zofinger Stadthelden erzählt. Der Schultheiss der damals habsburgischen Stadt Zofingen fiel 1386 in der Schlacht von Sempach und wird seit Jahrhunderten verehrt.

 

Grosse Ehre für die Stadt Zofingen: Frau Stadtammann Christiane Guyer hat den österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer (links) und Bundespräsident Ignazio Cassis zu Gast. (Bild: Raphael Nadler)

Siegrist führt die Delegation zum Sennenhof ins Tapetenzimmer, wo Cassis und Nehammer sich zum Gespräch treffen. Unterdessen laufen auf dem Thutplatz die Vorbereitungen für die militärischen Ehren. Das Katastrophenhilfe Bereitschaftsbataillon marschiert im Gleichschritt auf den Thutplatz, danach folgt die Militärmusik. Wer jetzt auf den Thutplatz will, wird von der Polizei eskortiert. So auch ein Paketbote, der seine Lieferung abgeben will. Anwohnerinnen und Anwohner verfolgen gespannt das Geschehen, schiessen Fotos von ihrem Logenplatz auf den Balkonen oder vom Fenster aus.

Eine kleine Gruppe befindet sich im nahegelegenen Kirchencafé «Zwüschehalt». «Wir haben einen Logenplatz an der Wärme», sagen sie und lachen. «Eine riesige Aufregung», konstatiert einer. Die Gruppe macht sich einen Spass daraus, ob sie sämtliche Politiker unter der Maske erkennen können. Kaum beachtet fährt auch noch Bundesrätin Karin Keller-Sutter vor und wird vom Zofinger Stadtschreiber Fabian Humbel in Empfang genommen.

 

Christiane Guyer im Gespräch mit Karl Nehammer und Ignazio Cassis. (Bild: Raphael Nadler)

 

Schülerinnen und Schüler machen Selfies mit den Politikern

Geladene Schulklassen marschieren aufgeregt quatschend kurz vor 11 Uhr unter Aufsicht der Polizei auf den Thutplatz und begeben sich hinter die Absperrung. Nebst den Zaungästen sind sie das einzige zugelassene Publikum an diesem Vormittag. «Ich finde es sehr spannend», sagt Zoe von der 3. Sek. «So etwas passiert nicht jeden Tag», ergänzt ihre Kollegin Salome. Besonders gefällt den beiden, wie schön die Stadt herausgeputzt ist. Lange vorbereiten konnten sich die Klassen nicht auf den Anlass, der gleich am ersten Schultag nach den Ferien stattfindet. «Das E-Mail ist in den Ferien gekommen», sagt Klassenlehrer Luca Marti. «Für die Schülerinnen und Schüler ist es sicher eindrücklich, vor allem das Sicherheitsaufgebot imponiert.» Er wird mit seiner Klasse im Nachgang das Politische und den historischen Kontext noch besprechen.

Die Militärmusik spielt auf, Keller-Sutter, Guyer und Hürzeler positionieren sich mit ihren Delegationen auf dem Thutplatz. Dann kommen Cassis und Nehammer mit den Bundesweibeln ebenfalls auf den Platz. Es folgen die österreichische Nationalhymne und der Schweizer Psalm, anschliessend begeben sich die beiden Staatsoberhäupter zu den Schülerinnen und Schüler. Die Stimmung der beiden ist gelöst, sie scherzen mit den Jugendlichen, geben Autogramme und machen Selfies. Ein solches haben Leandra, 13, und Jasmin, 13, von der 1. Sek mit Karl Nehammer ergattert. «Das war sehr cool!», freuen sich die Mädchen. «Wir haben auch ein Autogramm erhalten.» Und Leandra sagt: «Das muss ich jetzt unbedingt zu Hause erzählen.»

 

Zofingen erhält grosses Lob für die Gastfreundschaft

Kurz darauf verschwinden die Politiker wieder im Rathaus. Zeit für Christiane Guyer, durchzuschnaufen, obwohl auch sie als Interviewpartnerin sehr gefragt ist. «Es ist enorm durchgetaktet, es hat aber alles so funktioniert, wie es geplant war», freut sie sich. Die Erleichterung ist der Frau Stadtammann anzumerken. Cassis habe die Gastfreundschaft gelobt und sich sehr gefreut, wieder mal in Zofingen zu Gast zu sein. Vor 15 Jahren sei er schon einmal hier gewesen und wollte unbedingt wieder hierherkommen, erzählt Guyer. Karl Nehammer habe sich erfreut gezeigt über die Verbindungen zwischen Zofingen und Österreich.

 

Militärische Ehren auf dem Thutplatz mit der österreichischen und der Schweizer Delegation. Christiane Guyer im Gespräch mit Karl Nehammer. (Bild: Raphael Nadler)

«Mir gefällt es ausgezeichnet hier», sagt der Österreicher später an der Pressekonferenz im Zofinger Rathaus. Die Geschichte von Zofingen sei besonders. Aber das Schönste an seinem Besuch sei, dass er die Gastfreundschaft und Freude «enorm» spüre. An Zofingen sehe man, wie weit die Verbundenheit zwischen Österreich und der Schweiz zurückreiche.

Cassis bedankt sich bei Christiane Guyer für die gute Organisation in Zofingen. Diese zeigt sich zufrieden und hofft, künftig weitere Gäste begrüssen zu dürfen. Danach verabschieden sich die Staatsoberhäupter zum Zmittag in den Bürgersaal. Und auf dem Thutplatz beginnen die Aufräumarbeiten.

 

Quelle: Zofinger Tagblatt online, Stand 15.02.2022